Die Bedeutung und Herkunft der Straßennamen in Urmersbach (Benjamin Wilhelmi)
Haben Sie sich eigentlich einmal gefragt, warum die Straße, in der Sie wohnen so heißt, wie sie heißt? Oder ist Ihnen beim Spazieren gehen oder auf dem Weg zur Arbeit in den Sinn gekommen, was es mit den Straßennamen auf sich hat, wo deren Ursprünge liegen und was diese im Einzelnen bedeuten? Vermutlich nicht. Denn oftmals nehmen wir solche Dinge einfach als zu selbstverständlich hin. Doch ein Blick auf die Bedeutung und Herkunft der Straßennamen lohnt sich, da sie ein wichtiger Bestandteil unserer Städte und Dörfer sind. Hinter ihnen verbergen sich zahlreiche interessante Geschichten. Meist sind sie selbst ein Stück Ortsgeschichte und zeugen von längst vergangenen Zeiten.
Hierfür ist es zunächst einmal wichtig zu klären, wie Straßennamen entstanden, was sie bedeuten und wofür wir sie eigentlich benötigen. Denn bis ins 20. Jahrhundert bestand in unserer ländlichen Region überhaupt keine Notwendigkeit zur (offiziellen) Benennung von Wegen und Straßen, da es lediglich eine Straße, meist eine zentrale Dorfstraße, mit wenigen außerhalb liegenden Wohnplätzen gab. Auch wurde keine Straßenbeschilderung benötigt, da der durchschnittliche Teil der Bevölkerung nur rudimentär lesen konnte und überdies bestens mit der hiesigen Umgebung vertraut war. So wurden die Wege in Urmersbach allenfalls nach den Richtungen benachbarter Ortschaften benannt, wie z.B. der alte Düngenheimer-, Haurother-, Masburger-, Monrealer- oder Kaisersescherweg, oder aber nach der Bestimmung, wie z.B. der Holzweg. Erst die Franzosen und später die Preußen brachten eine gewisse Ordnung, wodurch Wege und Straßen eine Bezeichnung, aber auch die Wohnhäuser eine Nummerierung erhielten. Dies erfolgte vordergründig zur besseren staatlichen Erfassung der Grund- und Klassensteuer, aber auch im Zuge der Anlegung der Katasterbücher und -karten sowie zur Kontrolle der Kaminkehrtagebücher im Rahmen der Brandverhütung.[1]
Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der Ausdehnung der Ortschaften wurden weitere Wohngebiete durch neue Straßen erschlossen und diese mit dem alten Ortskern verbunden. Neben dieser Erschließungs- und Verbindungsfunktion erfüllen die Straßen und deren Namen hauptsächlich jedoch eine wichtige Ordnungs- und Orientierungsfunktion. Durch ihre Unterscheidbarkeit und in Verbindung mit der gesetzlich vorgeschriebenen Hausnummer erleichtern Straßennamen die Navigation und helfen, uns in bekanntem oder unbekanntem Terrain zurecht zu finden. Außerdem ermöglichen sie durch eine eindeutige Adressangabe aus Straße, Hausnummer und Ort die korrekte Zustellung unserer Post sowie schnelle Hilfe in medizinischen Notfällen. Darüber hinaus liefern Straßennamen meist bereits Hinweise auf topographische oder sonstige Gegebenheiten vor Ort, wie z.B. Berg-, Tal-, Schul- oder Waldstraße.[2]
In Deutschland existieren mehr als eine Millionen Plätze und Straßen, für die rund 450.000 unterschiedliche Namen vergeben wurden. Davon gibt es manche Straßennamen tausendfach, andere wenige lediglich ein einziges Mal. Die häufigsten Straßennamen sind Haupt-, Schul-, Dorf-, Garten- oder Bahnhofstraße. Darüber hinaus prägen die nach Bäumen, Vögeln oder Personen benannten Straßen unsere Städte und Dörfer. Im Gegensatz dazu werden in den USA die Straßen oftmals mit Buchstaben oder Nummern bezeichnet, wie z.B. die F Street in Washington D.C. oder die berühmte Fifth Avenue in New York City.[3]
Zuständig für die Benennung oder Umbenennung von Straßen sind die jeweiligen Gemeinden. Dabei sind einige Grundsätze zu beachten, wonach unter anderem nicht mehrere gleichlautende Straßennamen vergeben und Straßenumbenennungen aufgrund des erheblichen Folgeaufwands möglichst vermieden werden sollen.[4] Des Weiteren sollen die Straßennamen einfach und eindeutig sein sowie vorrangig historische Flurbezeichnungen im Namen aufgreifen. Denn den Straßennamen wird nicht nur eine Orientierungsfunktion, sondern ebenfalls ein Erinnerungsauftrag beigemessen.[5]
Aus diesem Grund finden sich in den heutigen Straßennamen oftmals lokale Flurnamen wieder, die den Ortsbereich über Jahrhunderte prägten und sich so im Volksmund einbürgerten.[6] Früher erhielt jeder Acker und Wald, jede Weide und Wiese sowie jeder Berg und jedes Tal aufgrund seiner topographischen Besonderheiten einen eigenen Namen als Orientierungshilfe und zur eindeutigen Abgrenzung der Besitz- und Eigentumsverhältnisse.[7] Die meisten Flurnamen sind daher bereits sehr alt und reichen bis in die Zeit des Mittelalters zurück, wie beispielsweise die Flurbezeichnungen „Hard(t)“ oder „Brühl“ und ermöglichen uns so einen Blick in die Vergangenheit unserer Kulturlandschaft. Zwar gingen durch die Ausdehnung der Dörfer und Städte im Laufe der Zeit zahlreiche alte Flurnamen verloren, doch leben diese oftmals in den heutigen Straßennamen und somit in unserem Alltag weiter, wie beispielsweise „Auf’m Henchen“ oder „In der Holl“.[8] Dementsprechend sind die alten Flurnamen als Namensgeber der heutigen Straßen fester Bestandteil unseres kollektiven Gedächtnisses.
Gemäß einer Nachweisung aus dem Jahr 1925 gab es in Urmersbach folgende Straßen mit dazugehörigen Hausnummern: Gehöft Schuwerack (Nr. 1 und 2), Straße Holzweg (Nr. 3 bis 21), Dorfstraße (Nr. 22 bis 42, 53 bis 58, 68 bis 77 und 93 bis 96), Hänchen (Nr. 43 bis 52), Hüpchen (Nr. 59 bis 67) und die Bahnhofstraße (Nr. 78 bis 92). Die Beschilderung der Straßen, wodurch diese ihre heutige Bezeichnung erhielten, erfolgte erst durch Gemeinderatsbeschluss vom 9. Juni 1967. Demnach wurde die alte Dorfstraße vom damaligen Lehrerwohnhaus bis zum Ende der Straße auf dem Hüppchen in Hauptstraße umbenannt, wohingegen die Bahnhofstraße sowie die sonstigen Straßen wie Holzweg, An der Hardt, Im Acker und Auf‘m Henchen ihre bisherigen Namen fast unverändert behielten.[9]
Nach dem amtlichen Straßenverzeichnis gibt es heute in Urmersbach elf Straßen mit einer Gesamtlänge von rund 2,8 Kilometern. Die Bedeutung und der historische Ursprung der Straßennamen erschließt sich nicht immer sofort, weshalb im Folgenden der Versuch einer Namensdeutung und -herkunft unternommen wird. Es handelt sich um folgende Straßen: An der Hardt, Auf’m Brühl, Auf’m Henchen, Bahnhofstraße, Bergstraße, Im Acker, Im Holzweg, In der Holl, Hauptstraße, Schuwerackerhof und Waldstraße, welche nachfolgend näher erläutert werden.
[1] Vgl. LHAKo Bestand 441, Sachakte Nr. 19207 sowie Bestand 655,129 VK, Nr. 2932; vgl. URL: https://www.wunderburg.de/strassennamen-und-ihre-bedeutung [abgerufen am 20.05.2023]; vgl. VERBAND FÜR ORTS- UND FLURNAMENFORSCHUNG IN BAYERN e.V. (2018), S. 1.
[2] Vgl. BÖRNIG, Sophia (2020), S. 2f.; vgl. § 126 Absatz 3 Baugesetzbuch.
[3] Vgl. URL: https://www.zeit.de/feature/strassenverzeichnis-strassennamen-herkunft-deutschland-infografik [abgerufen am 20.05.2023].
[4] Verwaltungsvorschrift Nr. 1 zu § 2 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz; vgl. BÖRNIG, Sophia (2020), S. 6.
[5] URL: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/strassennamen [abgerufen am 20.05.2023]; vgl. DEUTSCHER STÄDTETAG (2021), S. 19ff.; vgl. https://www.zeit.de/feature/strassenverzeichnis-strassennamen-herkunft-deutschland-infografik [abgerufen am 20.05.2023].
[6] Vgl. http://www.irmgard-und-ortrud.de/geschichtliche-bedeutung.html [abgerufen am 20.05.2023].
[7] Vgl. URL: https://www.igl.uni-mainz.de/forschung/namenforschung/digitales-flurnamenlexikon/ [abgerufen am 20.05.2023]; vgl. HÖNES, Jiří (2011), S. 2; vgl. VERBAND FÜR ORTS- UND FLURNAMENFORSCHUNG IN BAYERN e.V. (2018), S. 1; vgl. SCHNETZ, Joseph (1963), S. 7.
[8] URL: https://www.igl.uni-mainz.de/forschung/namenforschung/digitales-flurnamenlexikon/ [abgerufen am 20.05.2023].
[9] Vgl. LHAKo Bestand 655,129 VK, Nr. 2932; vgl. Beschlussbuch der Gemeinde Urmersbach vom 09.06.1967.